Der Name „Brockhausen“ wird heute oftmals nur mit der Straße, die von der historischen Ortsmitte Stiepels an der Kemnader Straße bis zur Kosterbrücke reicht, verbunden. Doch hinter dem Namen steckt viel mehr: ein Hof, eine Straße, ein Ortsteil. Fangen wir einfach bei dem „Kleinsten“ an: Der Hof Brockhaus. Dieser imposante in Naturstein errichtete Hof liegt in unmittelbarer Nähe zur Kosterbrücke (heute: Brockhauser Straße 266). Er wird 1220 das erste Mal urkundlich erwähnt und hatte nach der sogenannten Markenteilung im Jahr 1786 eine Größe von rund 31 ha.
Durch einen fehlenden Erben und eine Heirat im Jahr 1865 änderte sich der Familien- und Hofname in Schulte-Umberg, daher ist der ursprüngliche Name Brockhaus in Stiepel heute nicht mehr geläufig. Ausgehend von diesem Hof wird die Bauerschaft an der Ruhr seit jeher Brockhausen genannt. Auf Plattdeutsch ist immer noch die Bezeichnung „Braiksche Hürwe“ (in etwa: Brockhauser Höfe) geläufig. Analog zu der Bauerschaft wurde -neben Haar, Schrick, Mittel- und Oberstiepel- der (politische) Gemeindeteil entsprechend Brockhausen genannt, wobei er der flächenmäßig größte der fünf Stiepeler Ortsteile war.
Hof Brockhaus / Schulte-Umberg
Der Begriff „Brock“ stammt aus dem Niederdeutschen, dort beschreibt „Brok“ oder „Bruk“ eine tiefliegende, von Wasser durchbrochene, auch mit Gehölz bestandene Fläche. Genau dies trifft auf das Gebiet unmittelbar nördlich des Ruhrufers auch zu. Wer an die Ausbreitung der Ruhr bei Hochwasser denkt, kann diesen Begriff gut nachvollziehen.
Der Weg durch die Bauerschaft Brockhausen wurde im Jahr 1876 auf einer Länge von 1,9 km und mit einer Breite von 4,5 m als erste befestigte Straße überhaupt in Stiepel ausgebaut. Vielleicht war die Nähe zur Ruhr und die damit verbundene Gefahr von Hochwasser der Anlass für diesen Ausbau. Auf seinem Abschnitt von der Dorfkirche bis zur heutigen Kemnader Straße wurde der Weg erst im Jahr 1899 auf die beschriebene Art mit einer Breite von 6,0 m ausgebaut. Im Jahr 1909 werden in einem Verwaltungsbericht des Kreises Hattingen diese beiden Abschnitte folgendermaßen benannt und beschrieben: der „Weg von der Kosterbrücke zur Kirche“ und der „Weg von Haarmann-Thiemann bis Schule Dorf“ sind „… durchweg mit Packlage u. Kleinschlag aus Sandstein; teilweise auch aus Hochofenschlacke befestigt …“. In diesem Jahr gab es in Stiepel genau 13 solcher befestigter Straßenabschnitte.
Auf der sogenannten Niemeyer-Karte von 1792 ist ersichtlich, dass die Straße zu jener Zeit noch hinter den Höfen, am Hang des Henkenbergs, verlief. Wahrscheinlich war der Schutz vor dem Hochwasser der Ruhr der Grund dafür. Auf der Preußischen Gemeindekarte aus dem Jahr 1824 verläuft die Straße dann über die heute bekannte Strecke vor den Höfen.
Straßennamen wurden in Stiepel im Jahr 1909 vergeben, die heutige Brockhauser Straße war vom Namen her zunächst zweigeteilt. Der Weg durch die Bauerschaft Brockhausen hieß von Beginn an Brockhauser Straße, der Abschnitt von der Kirche bis zur Kemnader Straße zunächst Dorfstraße. Im Zuge der Eingemeindung von Stiepel nach Bochum im Jahr 1929 wurde dieser Abschnitt vom Namen her der Brockhauser Straße zugeschlagen. Die ursprüngliche Bezeichnung „Dorfstraße“ gibt genau das wieder, was sie schlicht und ergreifend war: die Straße durch das Dorfzentrum.
Interessant im Zusammenhang mit der Brockhauser Straße ist die Erschließung Stiepels mit Elektrizität. Im Konzessionsvertrag der Gemeinde Stiepel mit der Elektrizitätswerk Westfalen Aktiengesellschaft vom März 1911 wurden zwei Straßenzüge festgelegt, in denen Stromkabel verlegt wurden. Neben der heutigen Kemnader Straße von der Gemeindegrenze Weitmar aus bis zur Ecke Steilstraße war die heutige Brockhauser Straße von der Kemnader Straße bis zur Straße An der alten Fähre der zweite Abschnitt. Mehr Elektrizität gab es zunächst nicht, mit diesen beiden Straßen waren aber die am dichtesten besiedelten Bereiche Stiepels versorgt. Die Elektrizitätswerk Westfalen Aktiengesellschaft war verpflichtet, die Versorgung in einem Streifen von jeweils 500 m Luftlinie zu beiden Seiten der genannten Straßen anzubieten. Somit war die Dorfstraße vom Ortskern bis zur Kirche ab Ende 1911 elektrifiziert. In der Verlängerung der Brockhauser Straße mussten sich die Anwohner noch 14 Jahre gedulden, erst im Jahr 1925 wurde vor dem ehemaligen Henke-Hof (heute Große-Munkenbeck, Brockhauser Straße 216a) eine Transformatorensäule aufgestellt, die über ein in der Straße verlegtes Hochspannungskabel versorgt wurde.
Trafosäule vor dem ehemaligen Henke-Hof, Erntedank 1939
Im September 1925 hielt die Gemeindevertretung in ihren Sitzungsprotokollen unter dem Punkt „Auskunft über den Stand der Erweiterung des Elektrizitätsnetzes“ fest, dass „… die Lichtanlage in Brockhausen mit dem 29.8.1925 fertiggestellt und mit diesem Tage in Betrieb genommen ist.“ (Die komplette Geschichte der Erschließung Stiepels mit Elektrizität finden Sie auf unserer Homepage unter der Rubrik „Was es sonst noch gibt“ über diesen Link)
Untrennbar mit der Stiepeler Geschichte verbunden ist der ehemalige Hof an der Ecke von Brockhauser- und Nettelbeckstraße. Dort, wo seit einigen Jahren ein Boule-Verein seine Kugeln wirft, stand bis 1973 der Hof Schulte-Hofstiepel. Dieser Schultenhof und seine Besitzer finden ab dem 14. Jahrhundert zahlreiche Erwähnungen in Urkunden und Kirchenakten. Die ursprüngliche Lage des Hofes war etwas nördlich der Kirche auf dem Gelände des 1970 errichteten Kommunalfriedhofs. Bei Ausgrabungen im Jahr 1961 wurden mittelalterliche Fundamente eines Wohnhauses, eines Stallgebäudes und unterschiedlicher Nebengebäude gefunden. Auf dem Luftbild ist dies gut zu erkennen. Nach der sogenannten Markenteilung im Jahr 1786 war der Hof mit einer Gesamtfläche von 51 ha einer der größten in Stiepel.
Luftbild 1963: Dorfkirche mit Ausgrabungen des mittelalterlichen Schultenhofes, oben rechts der “neue” Hof Schulte-Hofstiepel
Das neue Gehöft mit Wohnhaus, Stall und Scheune wurde vermutlich um 1900 nach einem Brand an der Ecke Brockhauser-/Nettelbeckstraße neu errichtet. Leider konnte der Hof nicht überleben, er war 1973 so weit verfallen, dass die Gebäude von der Stadt Bochum aufgekauft und abgerissen wurden (Informationen entnommen aus: „Zwischen Korn und Kohle – Geschichte der Bauernhöfe in Stiepel, hrsg. vom Stiepeler Verein für Heimatforschung e.V.).
Der westliche Teil der Brockhauser Straße mit seinen alten Bauernhöfen und der landwirtschaftlich geprägten Struktur ist sicherlich der landschaftlich schönere Teil der Straße. An ihm liegen zwei historisch interessante Gebäude: mit dem Zechenhaus von „Vereinigte Pfingstblume“ eines der wenigen Relikte der Stiepeler Bergbaugeschichte (Brockhauser Straße 126) und mit der Schmiede Kamplade (Brockhauser Straße 105) das Gebäude mit einem der ältesten erhaltenen Stiepeler Handwerksbetriebe. In den Kirchenbüchern wurde bereits Georg Kamplade (1748 – 1827) als Schmied geführt.
Der östliche Teil der Brockhauser Straße, die ehemalige Dorfstraße, birgt mehrere historische Bauwerke. An erster Stelle ist selbstverständlich die Stiepeler Dorfkirche zu nennen, zusammen mit dem unter Denkmalschutz stehenden Kirchhof, d.h. dem Friedhof unmittelbar um die Kirche herum. Die letzte Beerdigung fand dort 1928 statt. Die heutige Hausnr. 65 wurde 1835 als Schulvikariehaus durch die Kirchengemeinde errichtet. Den Klassenraum in diesem Gebäude benutzte die seinerzeit gegenüber liegende Dorfschule bis 1950. Nach einem Umbau wurde das Haus ab 1951 für ein paar Jahre als Gemeindehaus genutzt.
Ehemaliges Schulvikariehaus, heute Brockhauser Straße 65
Wirtschaft “Zum Altdeutschen”, als sie nach 1903 noch zum gegenüberliegenden Hof Voskuhl gehörte, heute Brockhauser Straße 14
Der Charakter einer echten Dorfstraße war sicherlich auch geprägt durch die zahlreichen Wirtschaften und Geschäfte, von denen einige noch in Betrieb sind. Die Aufzählung der Wirtschaften beginnen wir an der Kemnader Straße, wobei die erste Wirtschaft postalisch auch dorthin gehört: Haarmann-Thiemann (Kemnader Straße 472), danach folgen an der Brockhauser Straße (heutige Hausnummer in Klammern): Puth/Wefelscheid (5, auch Schmiede), Zum Altdeutschen/Meier-Bäumer (14), Krunke (16, später Friseur Stollmann), Zur Sonne/Witthüser (42), Nattkemper (72, später Gemeindehaus), Hasenkamp/Hautkappe (74, mit Metzgerei), Zum Wilhelmstein/Bock (Gräfin-Imma-Straße 212), Witthüser (151, auch Kolonialwaren) und Hofstiepel/Stiepeler Hof (bereits abgerissen). An der Dorfstraße war auch eine der Stiepeler Poststellen, und zwar ab Mitte der 1930er Jahre bis 1965 bei Meier-Bäumer, zuletzt betrieben von Ilse Meier-Bäumer. Anschließend wechselte die Poststelle in die „Sonne“, dort bis in die 1970er Jahre betrieben von Änne Isaak. Der letzte Wechsel erfolgte in das Haus der Familie Hasenkamp, Brockhauser Straße 20. Dort führte sie Edith Hasenkamp rund 25 Jahre.
About Andreas
Meine Name ist Andreas und ich veröffentliche Interessantes über Stiepeler Geschichte.
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