Mit einem Alter von 149 Jahren (Stand: 2024) ist das Haus Nettelbeck heute die älteste ohne Unterbrechung bestehende und von derselben Familie betriebene Gastwirtschaft Stiepels und wohl auch Bochums. Als sich Georg Heinrich Nettelbeck 1875 dazu entschied, seinen Bergmannsberuf aufzugeben, um künftig als Wirt, Kaufmann und Bäcker zu arbeiten, war dies ein Wagnis, aber auch eine Chance. Nach der Gründung des Deutschen Reiches Anfang 1871 hatte eine rasante wirtschaftliche Entwicklung eingesetzt. Im Überschwang nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich und gestützt auf französische Reparationszahlungen kam es zu einem ungeahnten Aufschwung. Im Ruhrgebiet wurden zahlreiche Zechen und Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie gegründet. Überall herrschte Arbeitskräftemangel und es folgte eine starke Einwanderungswelle in das junge Industriegebiet. Bochum Einwohnerzahl wuchs innerhalb von nur vier Jahren um rund ein Drittel von 21.200 auf 28.400. Auf den Boom folgte jedoch schon bald die Krise. Unseriöse Finanzierungsmodelle, Börsenspekulationen und zu hohe Produktionskapazitäten ließen ab 1873 zahlreiche Unternehmen zusammenbrechen. Massenentlassungen, Lohnsenkungen und ein allgemeiner Preisverfall erschütterten das Ruhrgebiet.
Die Motive Nettelbecks zum Start eines neuen Berufslebens sind unbekannt, doch scheint dieser Schritt wohlüberlegt gewesen zu sein. Als Standort seines Geschäftes wählte der aus einer alteingesessenen Stiepeler Familie stammende Brockhausen und damit einen Ort, in dem seinerzeit ein solches fehlte. Ähnliches galt für das nahegelegene Sundern. Auch wenn die Stiepeler bereits zu dieser Zeit neben der Landwirtschaft vor allem im Bergbau arbeiteten, waren die Entwicklungen der 1870er Jahre hier nur vermindert spürbar. Rund 3600 Einwohner im Ortsteil verhießen eine stabile Nachfrage, und diese war notwendig, um die hohen Anfangsinvestitionen zu decken. Immerhin zahlte Nettelbeck für das Grundstück 415 Taler bzw. 1250 Mark. Dies entsprach etwa dem Bergmannslohn von 16 Monaten. Und außerdem musste er eine unbekannte Summe für Bau und Einrichtung eines Hauses aufbringen. Dementsprechend zahlte er den Kaufpreis auch nicht sofort, sondern vereinbarte eine ratenweise Tilgung. Das Grundstück stammte aus dem Besitz der Witwe Maria Catharina Brüggenei, genannt Henke, und lag verkehrsgünstig an beiden Seiten des Weges in Richtung Ruhrbrücke nach Hattingen, versprach also zahlreiche Kundschaft. Mit einer Größe von rund 7.500 Quadratmetern erlaubte es zudem noch eine gewisse landwirtschaftliche Tätigkeit. Gemahlen wurde das Getreide bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in der immer noch nach dem Namen des damaligen Besitzers so benannten Knösels Mühle am Fuß der Brückstraße, so der damalige Name des Vahrenholts, im Bereich der heutigen Fischteiche.
Noch in den 1870er Jahren wurde das erste Haus im Bereich des heutigen Parkplatzes gegenüber von Haus Nettelbeck errichtet. Über den Betrieb ist wenig bekannt, doch besaß die Wirtschaft eine Kegelbahn und wurde bald zum Vereinslokal mehrerer Stiepeler Vereine. Die Arbeitsbelastung muss immens gewesen sein, denn die parallelen Tätigkeiten des Gastwirtes und des Bäckers erlauben nur eine kurze Nachtruhe. Nach Georg Heinrichs Tod 1891 übernahm wohl zunächst seine Witwe Wilhelmine das Geschäft, da die vier Kinder noch minderjährig waren. Unterstützt wurde sie vom ältesten Sohn Hugo Heinrich, der bald in die Fußstapfen des Vaters trat. 1901 wechselte Nettelbeck die Straßenseite und zog in das heutige Gebäude, wo sich nun auch eine Poststation befand. Ende der 1920er Jahre folgte Werner Wilhelm Nettelbeck seinem Vater und 1961 nach dessen frühem Tod Achim Nettelbeck, der bis heute in vierter Generation Haus Nettelbeck führt. Die Bäckerei und der Lebensmittelhandel wurden in den 1960er Jahren zugunsten des Restaurants aufgegeben, da seit der Umgestaltung 1971 seine unverändert rustikale Atmosphäre besitzt. Tradition besitzt bei Nettelbeck eben auf allen Ebenen einen hohen Stellenwert.
Text: Dr. Dietmar Bleidick
Ergänzung Mai 2024: “Gastwirt aus Leidenschaft” – Beitrag im Stiepeler Boten
Günther Heide geb Stollmann says
Hallo ich habe viele schöne Erinnerungen an die Familie Nettelbeck. Es gab viele Feste in dem schönen Lokal. Mein Bruder Eckard ging mit Achim in die Vahrenhold Schule.Ich freue mich dass es das Haus Nettelbeck noch gibt.Herzliche Grüße Heide Günther geb Stollmann
Herbert Leese says
Hallo hier ist Herbert und Angelika Leese.Wir haben 1967 unsere Hochzeit bei Nettelbeck gefeiert !
Die besten Grüsse aus Hattingen !h