Die Einwohnerzahl Stiepels hatte sich vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts fast verdoppelt, von rund 3.500 im Jahr 1880 bis auf rund 6.500 Einwohner im Jahr 1908. Damit wuchs auch der Bedarf an „Verwaltung“, was die damalige Gemeindevertretung dazu veranlasste, eine neues Amts- und Gemeindehaus zu errichten. Bis zum Jahr 1910 wurden die Amtsgeschäfte der Stiepeler Gemeinde in dem heutigen Haus „Im Königsbusch 5“ getätigt, insbesondere waren dort das Standesamt und die Wohnung des Standesbeamten untergebracht.
Im Juni 1908 wurde der Beschluss gefasst, auf den Grundmauern der 1904 abgebrannten Schule an der Kreuzung Koster- / Haar- und Kemnader Straße ein neues Gemeindehaus zu errichten. Im März 1910 erfolgte der erste Spatenstich, im Oktober 1910 wurde das Gebäude fertiggestellt. Im Erdgeschoss wurden die Büros des Gemeindevorstehers, des Standesbeamten, des Meldeamtes sowie das Trauzimmer und das Sitzungszimmer der Gemeindevertretung untergebracht. Im ersten und zweiten Geschoss befanden sich Dienstwohnungen, unter anderem für eine Krankenschwester und den Polizeisergeanten. Dazu kamen in einem kleinen Anbau zwei Arrestzellen. Heute noch von der Rückseite erkennbar ist ein kleines vergittertes Fenster in dem eingeschossigen Anbau. Somit diente das Gemeindehaus auch als Polizeistation. Die erste Sitzung der Stiepeler Gemeindevertretung im neuen Gebäude fand am 18.Januar 1911 statt, Dieses Datum hatte man wohl mit Bedacht ausgewählt, da es sich um den 40 jährigen Jahrestag der Kaiserproklamation und Reichsgründung im Jahre 1871, also einen Gedenktag mit besonderer Bedeutung für das wilhelminische Deutschland handelte. Die letzte Sitzung fand im Juli 1929 statt, wenige Tage vor der Eingemeindung nach Bochum.
Bei der Eröffnung hielt der Blankensteiner Amtmann Thiel eine Ansprache, in der er betonte, dass der Zweck des Gemeindehauses sei, „ … für die Gemeinde Stiepel einen kommunalen Mittelpunkt zu schaffen, es soll ein Wahrzeichen sein für echten starken Bürgersinn, Einigkeit und Strebsamkeit, für Bürgerrechte und Bürgerpflichten.“ Das Gemeindehaus steht als Zeitzeuge der höchst unterschiedlichen Ausrichtungen politischer Systeme, ausgehend vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und das Dritte Reich bis zur Demokratie. Es war für die Stiepeler Bürger mit allen wesentlichen Stationen eines menschlichen Lebens in einer politischen Gemeinde, wie Geburt, Heirat, Tod, medizinische Betreuung, politische Betätigung, polizeiliche Angelegenheiten, Ausweis- bzw. Passangelegenheiten, Steuerangelegenheiten, Genehmigungen usw. verbunden.
Die Stadt Bochum nutzte das Gebäude ab 1929 als Außenstelle für unterschiedliche Ämter. Insbesondere wurde eine sogenannte Fürsorgestelle eingerichtet mit Arzt- und Schwesternsprechstunden für Säuglinge und Kinder. Aber auch (ehemalige) Bergleute fanden dort ärztliche Unterstützung bei Lungenkrankheiten. Bis in die 1970er Jahre waren im Gemeindehaus das Standes- und das Gesundheitsamt vertreten. Für die Stiepeler war es selbstverständlich, dass man auch in Stiepel heiraten konnte.
Aktuell wird das Gebäude zum Großteil von der Freiwilligen Feuerwehr genutzt, es ist aber in keinem besonders guten Zustand. Um eine mögliche Schädigung der Bausubstanz zu verhindern, müssten bauliche Maßnahmen umgesetzt werden. Der Stiepeler Heimatverein setzt sich dafür ein, dass dieses historisch wertvolle Gebäude langfristig erhalten bleibt.
Aktualisierung März 2024: Die Stadt Bochum als Eigentümerin des Gebäudes startet jetzt die Sanierung!
Angelika Sprenger says
Finde ich richtig gut.
Habe Oktober 1970 dort standesamtich geheiratet und hatte dort unseren Sohn ärztlich untersuchen lassen.