Viele der beschriebenen Gastwirtschaften haben sich unter anderem dadurch ausgezeichnet, dass sie über Generationen von ein und derselben Familie geführt wurden. Bei der Schankwirtschaft „ Zur steilen Höh “, die an der heutigen Gräfin-Imma-Straße 12 beheimatet war und nach 1919 die Praxisräume des ersten in Stiepel niedergelassenen Arztes waren, ist das genau andersherum. Es gab viele, nach jeweils kurzer Zeit wechselnde Eigentümerfamilien, von denen die meisten wohl nicht besonders erfolgreich waren. Doch der Reihe nach: Begonnen hat es mit dem Wirt Wilhelm Vohwinkel. Wann genau er sein Haus erbaut und den Betrieb der Gastwirtschaft begonnen hat, lässt sich nicht mehr exakt nachvollziehen. Es ist aber davon auszugehen, dass er das Grundstück bis spätestens 1869 als Teil des ehemaligen Kirchenwaldes, des sog. Pastoratsbusches, vom evangelischen Pastorat erworben hat. Wilhelm Vohwinkels Zeit als Wirt währte aber nur einige Jahre. Ein Eintrag in den Kirchenbüchern verrät uns, dass er im Jahr 1885 verstorben ist und eine Witwe sowie drei Kinder hinterlassen hat. Fortan führte die Witwe Vohwinkel die Gastwirtschaft. Im Jahr 1894 beantragte dann der Sohn, der Bergmann Wilhelm Vohwinkel junior bei der Gemeinde Stiepel, die Konzession für den Betrieb der Gastwirtschaft von seiner Mutter auf ihn zu übertragen. Durch diesen heute noch erhaltenen Konzessionsantrag können wir uns ein Bild von dem Gebäude machen. Wilhelm Vohwinkel junior beschreibt darin, dass die Wirtschaft das Vereinslokal für drei Vereine war (Militär-Verein Stiepel, Knappen-Verein Glück auf, Dilletanten-Verein Arion) und insbesondere einen Saal in der Größe von 387 Quadratmetern umfasste und (zu jener Zeit) „ … ein so großer Saal wie der unsere in Stiepel nicht vorhanden ist.“ Aufgrund der Lage fast genau im geografischen Mittelpunkt Stiepels wurde der Saal „ … stets zu Versammlungen bei Reichstagswahlen benutzt.“ Der Saal besaß eine Bühne und wurde später um eine Kegelhalle erweitert.
Die Konzession für den Bergmann Wilhelm Vohwinkel junior wurde im Mai 1894 erteilt. Seine Zeit als Wirt dauerte aber höchstens zehn Jahre, denn für das Jahr 1904 ist im Einwohnerverzeichnis der Wirt Friedrich Röder verzeichnet. Für die Jahre 1908/1909 lässt sich als nächster Wirt der Hauer Hugo Stollmann nachweisen. Aber auch dessen Zeit währte nicht lange. Ungefähr ab 1910 war Ewald Stracke als Eigentümer des Hauses der neue Wirt. Und genau in dieser Zeit passierte das Unglück, über das die Hattinger Zeitung unter dem Datum 3.6.1912 berichtet: „In der Nacht zum Sonntag brannte die Wirtschaft des Herrn Stracke „Zur steilen Höh“ bis auf die Umfassungsmauern nieder. Der Besitzer und seine Frau waren nicht zu Hause, sondern auf einer Privatfeierlichkeit, als das Feuer zum Ausbruch kam. Die Löscharbeiten litten unter dem zu schwachen Wasserdruck. Nur ein kleiner Teil des Mobiliars konnte gerettet werden. Der Schaden ist durch Versicherung gedeckt.“
Im September 1912 wurde der Bau eines neuen Hauses genehmigt und war -neben der katholischen Kirche- der Überlieferung nach das einzige Haus in Stiepel, das während des 1. Weltkrieges fertiggestellt wurde.
Sehr wahrscheinlich hat der 1. Weltkrieg aber dazu geführt, dass der Betrieb dieser Gastwirtschaft nicht mehr rentabel war. Es ist bekannt, dass sich so mancher Wirt während dieser Zeit nach einer weiteren Tätigkeit umsehen musste. Die Schulchronik der Schule in Stiepel-Dorf notiert im Jahr 1916: „Am meisten haben unter dem Einfluß des Krieges die Wirte zu leiden. Die Wirtschaften sind zum größten Teil fast immer leer … Manche Wirte haben, dem Druck des Krieges sich fügend, auf Zechen und Fabriken Beschäftigung gesucht.“ Daher überrascht es nicht, dass sich ab 1916 die Familie Hülsmann in Eickel (Brauerei) als Eigentümer nachweisen lässt. Es ist überliefert, dass der letzte Konzessionsinhaber für diese Gastwirtschaft Heinrich von Hagen war. Er soll die Konzession, die immer auf die Person des Wirtes bezogen war, genutzt haben, um eine neue Wirtschaft an der heutigen Kemnader Straße 65 zu begründen.
Das Haus an der Gräfin-Imma-Straße wurde dann von Dr. Gerhard Gilbert erworben, der sich am 1. Dezember 1919 als erster Arzt in Stiepel niederließ. Dies war möglich geworden, nachdem die Knappschaft ihm die Versorgung der in Stiepel wohnenden Bergleute übertragen hatte. Abgesehen vom Anbau einer Wagenhalle im Jahr 1924 ist das Haus in seiner äußeren Form seit der Fertigstellung unverändert. Dr. Gilbert betrieb dort bis 1956 seine Praxis, als Nachfolger übernahm Dr. Hans Rath das Haus, danach ließ sich Familie Harder mit zwei Arztpraxen nieder.
Erika Jedamski says
Liebes Team geflegter HEIMATFORSCHUNG
Anmerken möchte ich noch,im Garten von Dr.Gilbert,stand ein prächtiger Birnbaum.
Und——
Wir Mädchen standen Schmiere und die Jungen besorgten die köstlichen Birnen.
Wiedermal eine schöne Kindheitserinnerung,danke.
Herzliche Grüße aus Dortmund.
Erika Jedamski