Der Gahlensche Kohlenweg gilt neben den alten Königswegen als eine der ersten befestigten Straßen und erste Nord – Süderschließung unserer Region. Von den ehemaligen Zechen Preußisch Zepter (Königlicher Kohlberg) und Friedrich(Müser’s Kohlberg) nahe des einzigen noch im Ruhrgebiet existierenden aus Ruhrsandstein gebauten Malakowturmes der ehemaligen Zeche Friedrich, später Brockhauser Tiefbau im Friedrichstal ausgehend , führte er auf einer Länge von ca. 30 km zunächst über die Nachtigallstraße, die Krockhausstraße die Kemnader Straße über Weitmar, Hamme nach Eickel, über die Emscher bei Crange und dann in Richtung Buer und Polsum zur Lippe. 1767 wurde dort in Gahlen , einem Ortsteil der Gemeinde Schermbeck im heutigen Kreis Wesel das „Kohlhaus“ errichtet. Es diente zur Verwaltung der Transportbetriebes auf der Lippe und als Wohnhaus für die Beamten. Das Kohlhaus wurde in der Erweiterungsphase des Datteln-Hamm Kanals um den Wesel-Datteln-Kanal (Lippe Seitenkanal) abgerissen.
Heute zeigt eine Stele aus Stahl den ehemaligen Standplatz des Hauses an und symbolisiert die damalige Schnittstelle zwischen Land- und Wassertransportweg für Kohle und Industriegüter zum Rhein hin.
Da sich die Schiffbarmachung der Ruhr verzögert hatte und der Kohleabsatz der Zechen im Bochumer Süden gefördert werden sollte, stellte der Blankensteiner Lehrer und spätere Berggeschworenen Johann Wilhelm Müser 1765 das Projekt eines Kohlenweges von Stiepel zur Lippe vor. Die Lippe war zu dieser Zeit schon schiffbar, erlaubte die Rohstoffversorgung des zu Preußen gehörenden Herzogtums Kleve auf dem Wasserwege und damit im Gegensatz zum Landtransport bei den damaligen schlechten Wegeverhältnissen einen schonenderen und wirtschaftlicheren Transport in entferntere Absatzgebiete. Der Kohletransport auf der Ruhr zu den am Rhein gelegenen preußischen Territorien wurde erst nach Errichtung der Ruhrschleusen möglich (die Blankensteiner Schleuse als 13. von 16 um 1776).
Müser selbst war zu dieser Zeit neben Zechen in anderen Orten Haupt- oder sogar Alleingewerke an 7 Zechen allein in Stiepel (Friedrich, Haarmanns Banck, Ignatius, Krockhaus, Georg, St. Theodor) und hatte somit kein unbeträchtliches wirtschaftliches Eigeninteresse an dem Ausbau des vorgeschlagenen Kohletransportweges.
Der preußische Staat befürwortete das von Müser vorgestellte Projekt und die märkische Bergkasse stellte 190000 Taler als Kredit bereit. Müser wurden die Transportgeschäfte als Generalunternehmer übertragen.
Der Bau und die Instandhaltung erfolgte auf behördliche Anordnung der “General-Oberfinanz-, Kriegs- und Domainendirektoriums hin. Der Bau selbst erfolgte von 1766 bis Januar 1767. Dem Gericht Stiepel wurde dabei der Bau und die Instandhaltung des ersten Abschnittes anfangend am Ausgangspunkt, der Zeche Friedrich (Müsers Kohlberg) im Friedrichstal, in einer Länge von ca. 600 m zugeteilt. Daran schloss sich der District (Wegeabschnitt) des Amtes Blankenstein mit einer Länge von ca. 1200 m an. 1769 beliefen sich die Kosten für Hand- und Spanndienste zu erbringen durch die Bauerschaften des Gerichtes Stiepel auf 501 Rthlr. Die Kosten für das zu liefernde Holz belaufen sich in dem Jahr auf 161 Rthlr. Der Transport selbst erfolgte von Januar 1767 bis März 1772 und lag ausschließlich in den Händen des Ideengebers und Blankensteiner Fuhrunternehmers (Kohlen-Entrepreneur) J.F.Müser.
Der Stiepeler Gerichtsherr war dabei weder in Planung noch die Aufsicht oder Leitung der Erstellung des Weges in das Projekt eingebunden.
Die Strecke selbst erfüllte ihre vorgesehene Funktion als Kohlentransportweg also nur die kurze Spanne von 5 Jahren mehr schlecht als recht und die beförderten Mengen erreichten eigentlich nie den erwarteten und erhofften Umfang. Sie ist aber als frühe Planung und Ausführung eines Teilstückes des Verkehrs- und Transportwegenetzes in der industriegeprägten Region zu sehen. Straßennamen wie Kohlenstraße und Gahlensche Straße in der näheren Umgebung lassen auch heute noch den damaligen Straßenverlauf in etwa erkennen.
Der Gahlensche Kohlenweg konnte die in ihn gesetzten Hoffnungen somit nie im vollen Umfang erfüllen und kämpfte immer mit absoluter Ertragsschwäche. Allein die Instandhaltungskosten und damit Folgekosten waren immens. Sie, die hohen Straßengebühren, die relativ langen Transportzeiten, der schlechte Nutzungsgrad der Wagen und die hohen Reparaturkosten an den Wagen führten dann 1771 auch zum wirtschaftlichen Bankrott des vom Lehrer zum Transportunternehmer avancierten Kohlenentrepenneurs und Blankensteiner Bürgers Johann Wilhelm Müser .
Mit der Einführung der Ruhrschifffahrt nur etwa 10 Jahre später verlor der mit hohen Erwartungen und Hoffnungen begonnene Kohlentransportweg seine Bedeutung, da sich der Transport auf den Ruhraaken als wirtschaftlich ergiebiger gestaltete. Die Verbindung verfiel zusehends und der Gahlensche Kohlenweg war Geschichte. Erst nach der Aufhebung der alten territorialen Grenzen 1815 nach dem Sieg über Napoleon wurden im Rahmen des preußischen Kunststraßenbaus weitere Befestigungsarbeiten eingeleitet. Zwischen 1849 und 1854 folgte schließlich der Ausbau zur Dorstener Chaussee.
Im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres 2010 und des damit verbundenen Projektes „Kunststraße wird Straße der Kunst“, an dem mehrere Kunstvereine (Gelsenkirchen, Hattingen und Dorsten) sowie eine Bochumer Galerie und der Förderverein “Unser Fritz” teilnahmen, erfolgte unter Leitung des Künstlers und Ideengebers der Künstlerzeche “Unser Fritz” Helmut Bettenhausen ein Bodenaustausch, bei dem Boden von “Unser Fritz” zum Ausgangspunkt des Kohlenweges in Stiepel (Halde der Zeche “Pfingstblume), von dort eine etwa gleichgroße Menge Haldenmaterial zur Stele in Gahlen und von dort wiederum die etwa gleichgroße Menge Erdreich zurück zum Ausgangspunkt “Unser Fritz ” gebracht und damit der Kohletransport symbolisch nachgestellt wurde.
Die vor mehr als 200 Jahren angelegte künstliche Straße wurde durch mehrere Kunstwerke der beteiligten Künstlergruppen thematisiert und ihr ursprünglicher Verlauf durch verschiedene Aktionen und Objekte vor Ort erlebbar gemacht. So sollte die Entwickelung des Ruhrgebietes vom werdenden Industriegebiet zur stetig wachsenden Kulturmetropole aufgezeigt werden.
Empfehlenswerte Literatur zum Thema :
Der Gahlensche Kohlenweg , Arbeitsgemeinschaft “Geschichte des Bergbaus im Hattinger Raum”
Informationstafel
enthüllt am 14. Januar 2020 von Bezirksbürgermeister Breitkopf für den Bezirk Süd,
Herrn Fründ, Leiter der Bezirksverwaltungsstelle Süd
Vorstand, Mitgliedern und befreundeten Knappen des Knappenvereines Schlägel & Eisen Stiepel-Dorf 1884,
Vorstand und Mitgliedern des Stiepeler Vereins für Heimatforschung e.V.
PD. Dr. Dietmar Bleidick
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