Das Lutherhaus der evangelischen Kirchengemeinde Bochum-Stiepel
Seit 1930 hat das Lutherhaus viele Veränderungen erfahren, die sich im Lauf der Zeit aus den sich wandelnden Bedürfnissen der Menschen ergaben, für die es gebaut wurde. Als Betsaal und Gemeindehaus angelegt, ist es inzwischen zu einem pulsierenden Zentrum des aktiven Stiepeler Gemeindelebens gewachsen, in dem Glaube, Kunst, Kultur und gemeinsame Freude ihren festen Platz haben. Aber wie ist das Lutherhaus, wie wir es heute kennen, eigentlich zu dem geworden, was es ist? Was hat sich seit der Grundsteinlegung getan und wie kam es dazu?
Betrachtet man die Bevölkerungsentwicklung in Stiepel, stellt man eine große Veränderung zwischen dem ausgehenden 19. Jahrhundert und dem Beginn des 20. Jahrhunderts fest. 1871 hatte Stiepel, damals noch einschließlich Buchholz, 3.100 Einwohner. 1905 hatte sich mit 6.000 die Einwohnerzahl fast verdoppelt, darunter eine große Anzahl Menschen evangelischen Glaubens. So wurde es erforderlich, für die seelsorgerische Versorgung eine weitere Pfarrstelle einzurichten. Die größere Gemeindevertretung fasste in einer Sitzung am 22. Juni 1909 den Beschluss, eine zweite Pfarrstelle mit Amtssitz auf der Haar ins Leben zu rufen. Das Konsistorium (Verwaltungsbehörde der Landeskirche) lehnte eine Beihilfe zur Einrichtung zunächst jedoch ab. Im Mai 1910 stellten das Presbyterium und die Repräsentanten der Gemeinde erneut einen Antrag mit neuen Finanzierungsplänen. Endlich stimmte das Konsistorium zu und erteilte zum 1. Juni 1911 die Einrichtungsurkunde. Zu dieser Zeit hatte der Lehnsherr, Inhaber des Patronats auf Kemnade, Freiherr Ludwig von Berswordt Wallrabe, noch das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Pfarrstelle, machte davon aber keinen Gebrauch. Das Königliche Konsistorium in Münster berief daher den Hilfsprediger Max Joachim auf die neue Planstelle. Er wurde am 26. März 1912 in die Gemeinde eingeführt. Da noch kein Pfarrhaus vorhanden war, bezog er eine Wohnung im Gebäude der Gemeindeverwaltung an der damaligen Hauptstraße, heute Kemnader Straße, Ecke Haarstraße. Joachim legte 1922 sein Amt nieder, ihm folgte 1923 Karl Heuer, der bis 1927 die zweite Pfarrstelle innehatte. Die Gottesdienste fanden im Wegmannschen Saal, heute Haus Spitz an der Kemnader Straße, Ecke Hülsbergstraße, statt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg und Überwindung der Wirtschaftskrise konnte an den Bau des Pfarrhauses gedacht werden. 1924 erwarb Landwirt Heinrich Haarmann zwei Preußische Morgen, an der Kemnader Straße und an der heutigen Königsallee. [Ein „Preußischer Morgen“ ist eine Fläche, die mit einem Ochsen vor dem Pflug an einem Vormittag gepflügt werden kann. Das sind 2.553 Quadratmeter Flächeninhalt oder ¼ Hektar, was einer Fläche von 50 x 50 m entspricht.] Das Pfarrhaus wurde in den Jahren 1927 und 1928 errichtet.
Die finanziellen Mittel konnten durch den Vertrag mit der Stadtgemeinde Bochum über die Ablösung der Patronatsverpflichtungen generiert werden. In § 2 des Vertrages verpflichtete sich die Stadtgemeinde Bochum für die Patronatsablösung 110.000 RM an die Kirchengemeinde zu zahlen. Von dieser Summe wurde auch 18.000 RM für den Betsaal im Haarbezirk eingeplant.1927 folgte Karl Husemeyer Pfarrer Heuer auf die zweite Pfarrstelle. 1929 kaufte die Gemeinde dann einen weiteren Morgen an der Kemnader Straße von Heinrich Haarmann für den geplanten Betsaal.
In der Presbyteriumssitzung vom 4. Januar 1929 wurde der grundsätzliche Beschluss zum Bau des Gemeindehauses neben dem neuen Pfarrhaus gefasst. Die Kirchenvertretung beschäftigte sich in mehreren längeren Sitzungen mit der Finanzierung des Betsaales. Es wurde eine Kommission gewählt, die einige solcher Bauten besichtigen sollte. Architekten aus der Nachbarschaft sollten aufgefordert werden, Pläne einzureichen, aus denen dann der passendste ausgesucht werden sollte. Von der Betsaalkommission wurden die Architekten Schmiedeknecht und Stommel aus Bochum vorgeschlagen. Die Pläne sollten so beschaffen sein, dass eine sich später eventuell ergebende Vergrößerung des Betsaales oder der notwendige Bau einer Kirche in der Nähe des Saales ohne besondere Schwierigkeiten durchführbar wäre.
Zur Finanzierung wurde der Beschluss gefasst, ein Darlehen beim Deutschen Sparerbund für Eigenheime in Düsseldorf aufzunehmen. Am 10. Februar 1929 wurde im Wegemannschen Saal ein Kirchenbauverein gegründet. Seine Aufgabe sollte es sein, durch freiwillige monatliche Beiträge einen Fonds zu schaffen, der der Kirchengemeinde beim Bau des Betsaales auf der Haar zur Verfügung gestellt wird.
Der Bochumer Architekt und Regierungsbaumeister Wilhelm Stommel wurde mit der Planung des Baus beauftragt. Stommel hatte Erfahrung in der Planung von multifunktionalen Sakralgebäuden, er plante und baute auch die Kreuzkirche in Wattenscheid-Leithe. Am 26. Januar 1930 wurden sein Bauplan und der Kostenvoranschlag in Höhe von 95.000 Reichsmark vom Presbyterium und der größeren Gemeindeversammlung genehmigt. Zur Überwachung dieses Projekts wurde eine Baukommission gewählt. Sie bestand aus den Pfarrern Husemeyer (2. Pfarrstelle Haar) und Lohmeyer (1. Pfarrstelle Dorf), den Kirchmeistern Heinrich Kosthaus und August Thierhoff, den Gemeindeverordneten Gottfried Ansorge und Gustav Thierhoff aus dem Haarbezirk, Emil Behrenbeck und Lehrer Wilhelm Linnhoff aus dem Dorfbezirk. Auf die Gemeindeglieder im Haarbezirk kam viel Arbeit zu, denn sie verpflichteten sich, die Ausschachtungs- und Erdarbeiten in Eigenhilfe auszuführen.
Die gesamte Inneneinrichtung sollte durch freiwillige Gaben und Spenden beschafft werden. Der erste Spatenstich erfolgte am 10. März 1930, die Maurerarbeiten begannen am 7. Juli; und am 24. August erfolgte die Grundsteinlegung.
Nach einem Festgottesdienst im Schreierschen Saal zog die Gemeinde bei herrlichstem Wetter zum festlich geschmückten Bauplatz. Pfarrer Lohmeyer eröffnete mit einer Schriftlesung und einem Gebet die Feier. Die Festansprache hielt Superintendent Neuhaus. Danach verlas Pfarrer Husemeyer die hier im Wortlaut folgende „Urkunde zur Grundsteinlegung des Betsaales und Gemeindehauses in Stiepel-Haar.“
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen! Am zehnten Sonntag nach dem Trinitatisfest, dem 24. August, im Jahre des Heils 1930, als Generalfeldmarschall von Hindenburg Reichspräsident und D. Zoellner Generalsuperintendent von Westfalen und Pfarrer Neuhaus Superintendent des Kirchenkreises Hattingen war, wurde der Grundstein dieses Hauses gelegt.
In der Kirchengemeinde Stiepel in Bochum, die in der über 900 Jahre alten Kirche im Dorf eines der ältesten Gotteshäuser an der Ruhr besitzt, ersteht auf der Haar das Luther-Haus: Betsaal und Gemeindehaus.
Es sei uns Stätte der Anbetung und Erbauung, Hort des standhaften Glaubens und ein Wahrzeichen des Treuebekenntnisses vieler zum Herrn der Geister und der Gemeinde Jesu Christi.
Das Haus soll Luther-Haus heißen, den Namen unseres großen Reformators Dr. Martin Luther tragen, durch den Gott unserem Volke den köstlichen Schatz des Evangeliums wiederschenkte. Sein Bild leuchte uns vor als der fromme und mutige in Gottes Wort und Geist gefestigte Glaubensheld, der uns in unserer gärenden und unruhevoll wogenden Zeit den festen Grund des Glaubens weist.
In ernster und schwerer Zeit wird dieses Haus gebaut. Der Wunsch, daß es erstehe, geht zurück bis in die Vorkriegszeit. Im Jahre 1912 erhielt der Haarbezirk eine selbständige Pfarrstelle, seitdem verlangte man in der Gemeinde nach eigenem Raum zum Gottesdienst und zur Sammlung der Gemeinde. Der harte Verteidigungskampf im Weltkriege 1914-18 und die schweren Erschütterungen des deutschen Volkslebens in der Nachkriegszeit verhinderten zunächst die Ausführung dieses immer dringenderen Verlangens. Der Gottesdienst mußte bisher im Schreierschen Saal gehalten werden. Im Jahre 1925 wurde unter Pfr. Karl Heuer das Grundstück zum Bau des Pfarrhauses und Betsaales von dem Landwirt Heinrich Haarmann erworben und 1929 erweitert. Nach Einführung der beiden Pfarrer Hermann Lohmeyer (Dorf) und Karl Husemeyer (Haar) im Juni 1927 wurden im Jahre 1928 die langwierigen Verhandlungen wegen Ablösung des Jahrhunderte alten Patronats zum Abschluß gebracht. Nach Erbauung des Pfarrhauses Haar 1927/28 ging man an den Bau des Betsaals. Im Frühjahr 1929 entstand der Kirchenbauverein, der durch freiwillige Beiträge die Innenausstattung des Hauses besorgen will. Nach langen und ernsten Erwägungen gewann der Plan zum Bau dieses Hauses im Frühjahr endgültige Gestalt.
Aus mehreren auftragsgemäß eingereichten Entwürfen wurde das Projekt des Architekten Reg.-Baumeister Stommel Bochum zur Ausführung erwählt und der Kostenanschlag von 95.000 Mark durch einmütigen Beschluß der kirchl. Vertretung am 26. Januar 1930 genehmigt.
In der Baukommission, der die sorgfältige Durchberatung und Förderung des Baues obliegt, wurden gewählt die Herren: Pfr. Lohmeyer und Husemeyer, Kirchmeister Heinrich Kosthaus und August Thierhoff, Gemeindeverordneter Emil Behrenbeck und Wilhelm Linnhoff, Gottfried Ansorge und Gustav Thierhoff.
Der erste Spatenstich wurde nach einer schlichten Feier am 10. März 1930 getan. Von opferwilligen Gemeindegliedern wurden dann in fröhlichem Wetteifer die gesamten Erdarbeiten und viele Fuhren freiwillig ausgeführt. Nach Überwindung der letzten Schwierigkeiten konnte am 7. Juli mit den Maurerarbeiten begonnen werden.
Eben ist ein Jahr vergangen, seitdem Stiepel seine Selbständigkeit aufgab und nach Bochum eingemeindet wurde. Das Jahr 1930 hat mit den schweren Krisen im Wirtschaftsleben viel Arbeitslosigkeit und Not gebracht, auch die in unserer Gemeinde gelegene Zeche Karl Friedrich wurde zum 15. August stillgelegt. Dennoch legen wir den Grundstein in der Hoffnung, daß der Herr dies Werk gelingen lassen und segnen möge!
Das Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde Stiepel
Karl Husemeyer, Pfr. pr. presb.; Hermann Lohmeyer, Pfr.; Heinrich Kosthaus, Kirchmeister; Hugo Böhle; Wilhelm Behrenbeck; August Thierhoff, Kirchmeister; Karl Diergardt; Heinrich Haarmann; Wilhelm Rumberg; Fritz Riepenberg; Heinrich Heiermann; Heinrich Strunk.
In die Kupferkapsel, die im Grundstein eingelassen wurde, sind noch weitere Dokumente eingelegt worden. Neben dem Sonntagsblatt „Friede und Freude“ vom 24. August waren es zwei Tageszeitungen sowie Verzeichnisse der Mitglieder des Kirchenbauvereins, der gesamten Kirchenvertretung, aller freiwilligen Mitwirkenden bei den Erd- und Fuhrarbeiten und der Spender. Aufgeführt wurden auch die beteiligten Bauunternehmer Wilhelm Behrenbeck, Karl Diergardt und Georg Kortwig sowie die übrigen bis dahin beauftragten Handwerker.
Nach fast einem Jahr, am 30. August 1931, wurde das Lutherhaus feierlich eingeweiht. Die Feierlichkeiten, wieder ausgehend vom Wegemannschen Saal, werden in nachfolgendem Programm und Zeitungsartikel ausführlich beschrieben.
In dieser arbeits- und ereignisreichen Zeit war Pfarrer Husemeyer bis 1956 Seelsorger der Haargemeinde. Er verstarb als bisher einziger Pfarrer während seiner aktiven Dienstzeit.
In diese fielen 1951 auch die Renovierungs- und Aufräumarbeiten nach Ende des zweiten Weltkrieges. Dabei wurden gleichzeitig der etwas problematische Zugang zur Kanzel verbessert und die Treppe erneuert.
Vor der Bleiverglasung im Altarraum wurden von innen Schlagläden angebracht, die Kirchenmaler Fritz Mannewitz bemalte. Fritz Mannewitz, geb. 1902 in Tharand bei Dresden, Lehrzeit als Dekorationsmaler, Aufnahme in die staatliche Kunstgewerbeschule, Tätigkeit als selbstständiger Malermeister mit Schwerpunkt Restaurierung und Ausgestaltung von Gutshäusern und Kirchen; 1950 Übersiedlung nach Bochum, dort bis 1956 tätig; verstorben 1962 in Ehlershausen bei Hannover. Die Schlagläden zeigen die Evangelisten aus dem Neuen Testament Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, mit ihren Symbolen und typischen Sprüchen aus den Evangelien.
Auf Husemeyer folgte Dr. Reinhard Runge, welcher das Amt bis 1964 innehatte, dann Harald Bedenbender bis 1971, Wilhelm Tefehne bis 1978, Werner Posner bis 1986 und Gerd Heil bis 1992. Erstmalig besetzte zwischen 1993 und 1995 eine Frau, Angelika Martin, die zweite Pfarrstelle. Nach einem Jahr Wirken der Vertretungspastoren Dr. Udo Arnold und Pascal Schilling wurde Ortwin Pfläging auf die Stelle berufen, die er bis 2016 wahrnahm. Aktuelle Stelleninhaberin ist seit 2017 Christine Kükenshöhner.
Das Lutherhaus hat einen Andachtsraum, der je nach Ausrichtung der Bestuhlung und Öffnen oder Schließen von Faltwänden für kleinere und größere Gottesdienste, Versammlungen oder andere Veranstaltung eingerichtet werden kann. Dominiert wird der große Altarraum durch drei Fenster in farbiger Antikschnittverglasung, nach einem Entwurf des Kunstmalers K. W. Heyer von der Essener Glasmalerei W. Hallermann ausgeführt und eingebaut.
In der kleinen Apsis befinden sich zwei weitere Fenster vom selben Künstler. Karl Willy Heyer, geboren am 27.4.1900 in Dortmund, lebte zunächst in Köln, dann bis 1982 in Bochum. Er studierte an der Staatlich genehmigte Handwerker- und Kunstgewerbeschule, heute Folkwangschule für Gestaltung in Essen, war 1921 Mitbegründer der Westfälischen Künstler und Kunstfreunde (VWKuK) und seit 1946 Mitglied im Bochumer Künstlerbund (BKB). Als freischaffender Künstler beschäftigte er sich mit Malerei, Grafik, Schriftkunst, Mosaik und Glaskunst. Beispiele seiner Arbeit sind u. a. in der Pauluskirche, Melanchthonkirche und Petrikirche zu finden. Auf der Empore wurde erst im Laufe der 1940er Jahre eine gebrauchte Orgel eingebaut, eine Neuanschaffung war zu kostspielig. Die Gottesdienste wurden mit einem Harmonium musikalisch begleitet. 1975 wurde die alte Orgel durch eine Bosch Opus 657 ersetzt.
Organisten waren bis 1937 der Lehrer August Haarmann, bis 1957 Pfarrfrau Walpurg Husemeyer, ihr folgte Paul Wieber, ab 1975 Ernst Schulte-Umberg, Wernfried Lahr bis 1978. Ab 1980 war Else Zöger Organistin, das Amt wurde dann ab 1994 von Angelika Henrichs übernommen. Weitere Räumlichkeiten sind vorhanden: Im Erdgeschoss befindet sich ein großer Raum, das sogenannte Musikzimmer. In einem Teil des Flures wurde im Rahmen der Renovierung eine barrierefreie Toilette eingebaut. Die Garderobenanlage der Düsseldorfer Firma Johannes Melzer aus dem Jahr 1931 ist immer noch in Funktion. Für ihre Montage erhielt Gustav Gathmann seinerzeit 36 Reichsmark.
Im ersten Obergeschoss befindet sich eine ca. 100 qm große Wohnung. Diese wurde zeitweise von den Stiepeler Gemeindeschwestern Hedwig Hölper (1947 bis 1950) und Luise Herbst (1950 bis 1984) bewohnt. Als Luise Herbst nach 34 Jahren aus dem Dienst verabschiedet wurde, ging nach Empfinden der alten Stiepeler die „Gemeindemutter“.
Auch die Küster der Gemeinde, von 1934 bis 1975 Lilli Ose, von 1975 bis 1991 Rose-Marie Zint und ab 1991 Walter Wiesemer, wohnten im Gemeindehaus. Im zweiten Obergeschoss befinden sich mehrere Räume, die in letzter Zeit für die Jugendarbeit genutzt wurden. Von hier aus erreicht man auch das „Glockentürmchen“, in dem die von der Herforder Läutemaschine „Voco“ angetriebene Glocke hängt. Diese wurde von der Verwaltung der Zeche Klosterbusch gestiftet. Klosterbusch war mit 1.133 Beschäftigten nach Stilllegung der Zeche Karl-Friederich im Jahr 1929 neben der Henrichshütte der größte Arbeitgeber in Stiepel. Hergestellt wurde die Glocke vom Bochumer Verein. Ihre Inschrift lautet: „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“ Am 9. Oktober 1932 wurde sie eingeweiht.
Im Kellergeschoss befinden sich die Sanitärräume und eine große Küche mit eigenem Eingang von der hinteren Umfahrung. Die Küche ist mit einem Speisenaufzug ausgestattet, der den Vorraum des großen Saales direkt mit der Küche verbindet. Der ursprüngliche Handaufzug der Firma Joseph Tepper aus Münster mit einer maximalen Tragkraft von 40 kg wurde in den 60er-Jahren auf elektrischen Antrieb mit 50 kg Tragkraft umgestellt. Hinter der Küche befindet sich ein Raum, in dem sich heute die Konfirmanden treffen. In dem als Turnhalle konzipierten Raum unter der Altarbühne, früher von den Jünglingsvereinen als solche genutzt, befindet sich heute das „Luther`s“, Bar/Lounge/Disco. Auch die „Turnhalle“ hat einen eigenen Zugang.
Der große Außenbereich, das Grundstück war mittlerweile auf drei Morgen angewachsen, veränderte sich im Laufe der Zeit. In den Kriegs- und Nachkriegszeiten wurden große Teile des Pfarrgartens zur Versorgung der Pfarrfamilien landwirtschaftlich genutzt. Heute überwiegt die Nutzung als Garten. Auch die Zugänge zum Lutherhaus änderten sich. Bevor die Königsallee entstand, wurde der hintere Eingang vor allem von Besuchern aus der Haar-, Voßkuhl- und Surkenstraße genutzt. Der Pastor bevorzugte den Seiteneingang, um schnell vom Pfarrhaus in die Kirche zu kommen. Der Haupteingang befindet sich jedoch in der westlichen Giebelwand und ist über die Kemnader Straße zugänglich.
Die gesamten Räumlichkeiten verteilten sich auf eine Grundfläche von ca. 500 qm. Das Haus ist ca. 39 m lang und 13 m breit, im westlichen Bereich zweieinhalbgeschossig, im eigentlichen Saal aber, bis auf einige kleine Nebenräume, nur eingeschossig. So multifunktional das Gebäude geplant und gebaut ist, stellte einen Nachteil, besonders in früheren Jahren, der Friedhofsweg dar. Fand die Trauerfeier im Lutherhaus statt, musste der Leichnam über die Kemnader- und die Gräfin-Imma-Straße bis zum Friedhof ins Dorf gebracht werden. In den ersten Jahren nach Eröffnung des Lutherhauses wurde dies noch mit einem von Pferden gezogenen offenen Leichenwagen bewerkstelligt.
Nicht selten wurde der Zug von der Kapelle „Stock“ begleitet, die auch am Grab spielte. Zwar war ein Friedhof für den Haarbezirk geplant, doch kam es nie zur Ausführung. In den Jahren 1964/65 wurde ein neues Pfarrhaus errichtet. Das alte wurde dann 1967 dem evangelischen Kirchenkreis für die Dauer von 20 Jahren überlassen, entsprechend der Laufzeit eines landeskirchlichen Darlehens zur Finanzierung des neuen Pfarrhauses.
1981 konnte die Gemeinde den fünfzigsten Geburtstag des Lutherhauses feiern. Am Samstag, 11. Juli 1981, ab 17.00 Uhr wurde das Fest im Rahmen einer Feierstunde mit Kirchenchor, Posaunenchor und einem Vortrag von Dr. Schonefeld über die Geschichte der Gemeinde sowie anschließendem gemütlichem Abend „oben“ und Jugendfete „unten“ begangen. Der Sonntag begann um 11.00 Uhr mit einem Familiengottesdienst. Anschließend folgte ein gemeinsames Mittagessen, offenes Singen mit dem Kirchenchor, ab 14.00 Uhr gab es Kaffee und Kuchen, Spiele für Jung und Alt. Posaunenchor und Feuerwehr waren vor Ort. Kehraus war ab 18.00 Uhr.
Am 30. Juni 1992 wurde das Lutherhaus unter Denkmalschutz gestellt. Auf der Karteikarte der Denkmalschutzliste wird es wie nachfolgend beschrieben:
Gemeindehaus:
Zweigeschossiger Putzbau über Sandsteinsockel unter Walmdach mit Glockentürmchen. Runderker und zwei weitere, verspringende Bauteile auf der Rückseite des Gebäudes, sonst strenge geometrische Gebäudeform. Seitlich liegendes Portal. Typische Formensprache der ausgehenden 20er Jahre des 20. Jhd. Rechter Gebäudeteil durch hohe, über zwei Geschosshöhen gehende Rechteckfenster, als Saalbau auch äußerlich erkennbar. Im Gebäudeinneren weitestgehend noch ursprüngliche Raumaufteilung und -gestaltung, die in einigen Bereichen durch noch ursprüngliche, bewegliche Wandelemente unterschiedlichsten Nutzungsanforderungen angepasst werden kann. Großer Gottesdienst- und Gemeindesaal mit an der Ostwand angefügtem, halbkreisförmigen Erker zur ursprünglichen Aufnahme des Altarraumes.
Aus seiner Lage ergeben sich weiter städtebauliche, kirchengeschichtliche und stadtteilgeschichtliche Gründe, die Objekte geeignet scheinen lassen, historische Vorgänge und Entwicklungen des Stadtteils Stiepel und der Kirchengemeinde Stiepel aufzuzeigen.
Im Jahr der Renovierung (1998) wurde ein Änderungsantrag zum Denkmal gestellt. Der Vorplatz mit den Baracken, der dem Kindergarten provisorisch Platz gab, sollte aus dem Denkmalschutz herausgenommen werden. Im Zuge dieses Antrages wurde von der unteren Denkmalbehörde eine Fortschreibung des Denkmals vorgenommen. Mit freundlicher Genehmigung der Behörde wird auch diese Beschreibung wörtlich wiedergegeben, da sie das Denkmal treffend beschreibt.
Denkmalliste der Stadt Bochum, Karteikarte: A260, Lutherhaus, Kemnader Str. 127
Der Denkmalwert erstreckt sich auf das Äußere des Gebäudes mit seinem konstruktiven Innengerüst, der Raumaufteilung sowie den Resten originaler Wand fester Ausstattung, wie z. B. Bühne, Empore, Farbverglasung im Saal, Treppe in das Obergeschoss, Haustüren. Zugehörig ist auch die terrassenartige Außenanlage auf der Nordostseite des Gebäudes.
Es handelt sich bei dem Gebäude Kemnader Straße 127 in Bochum um ein langgestrecktes, zweigeschossiges Gebäude unter mit Pfannen gedecktem Walmdach, auf dessen First ein kleiner quadratischer Glockendachreiter sitzt. Betont schlicht gestalteter Baukörper, dessen einziger Schmuck der Sockel und die rechteckigen Portaleinfassungen aus roh gebrochenen Sandsteinquadern sind. Darüber sind alle Fensteröffnungen bündig in die glatten, weißen Putzflächen eingeschnitten. Nur die Sohlbänke treten als Tropfleisten leicht vor. Die kubische Großform wird ausschließlich durch funktionsbedingte Vorbauten wie Haupt- und Nebeneingänge, Altarapsis und Nebenraum zur Bühne gegliedert. Ebenso sind die Fensterformate jeweils den Belichtungsbedingungen angepasst, woraus sich wiederum gliedernde Elemente ergeben zwischen schmalen hochformatigen und eher „quadratischen“ Fenstern verschiedener Größe, wobei stets gliedernde und ordnende Regeln beachtet sind.
Der Haupteingang des Gemeindehauses befindet sich auf der nordwestlichen Schmalseite. Eine einläufige Freitreppe, die die Höhendifferenz des Sockels ausgleicht und aus dem Material wie diese erstellt ist, ist ihm vorgelegt. Die innere Erschließung erfolgt über eine Art Längsflur, der in Windfang und sich foyerartig aufweitende Raumeinheiten gegliedert ist. An ihm liegen Versammlungsräume und rückwärtig der große Gemeindesaal. Er ist das Kernstück des Lutherhauses und kann je nach Bedarf als Festraum mit Ausrichtung auf die als leicht bespielbare Laienbühne eingerichtete Bühne oder im rechten Winkel dazu mit Ausrichtung auf die Altarapsis als Gottesdienstraum benutzt werden.
Bunte Glasfenster mit Darstellung des Reformators Luther, der Stiepeler Dorfkirche als Mutterkirche, der benachbarten Burg Blankenstein, der christlichen Symbole von Taube und Kreuz erläutern die Standortbestimmung der Kirchengemeinde.
Empore und (im Laufe des Verfahrens des Änderungsantrages) erneuerte Falttüren bieten die Möglichkeit, je nach Besucherzahl oder Benutzerkreis die Raumgröße zu variieren.
Auch in seinem üppigen Raumangebot für kirchlichen Unterricht und Gruppenarbeit entspricht das Gebäude noch der ursprünglichen Raumaufteilung. Auch hier ermöglichen (kürzlich erneuerte) Faltwände eine variable Nutzung. Die Zimmerfenster sind inzwischen zum größten Teil als Isolierfenster mit ungeteilten Scheiben erneuert worden. Ebenso wurde die Tür zum Saal und der Bodenbelag im erdgeschossigen Flur im Laufe des Unterschutzstellungsverfahrens erneuert.
Für Erhaltung und Nutzung liegen wissenschaftliche, d. h. hier baugeschichtliche Gründe vor, weil die Baugruppe exemplarisch die Gestaltung und Organisation eines evgl. Gemeindezentrums in den Jahren vor der Machtübernahme des nationalsozialistischem Regimes dokumentiert.
Die beim Lutherhaus angewandte, betont schlichte, auf Funktion ausgerichtete Architekturauffassung entspricht den allgemeinen Gestaltungstendenzen am Ende der 1920er-Jahre. Mit Kenntnis der Erscheinungen des Internationalen Stils entstanden auf Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit ausgerichtete Bauten, die in ihrer Gestaltungsstrenge und Übersichtlichkeit einen neuen Klassizismus vorbereiteten. Abweichend vom Internationalen Stil vermittelt jedoch sparsam eingesetzter Naturstein und ausschwingendes Walmdach heimatlich gefärbte Assoziationen.
Als vorrangige Bauaufgabe entwickelte sich nach dem Ersten Weltkrieg das Gemeindehaus, das unter einem Dach die verschiedenen Aspekte des Gemeindelebens vereinigt. Neben der Knappheit der finanziellen Mittel lag der Bauaufgabe auch ein neues biblisches Verständnis zugrunde, dass die kirchliche Gemeinde eine Lebensgemeinschaft bedeutet. In diesen Mehrzweckbauten sollte der Abendmahltisch eine besondere Stellung haben, was im Lutherhaus durch Ausbildung der runden Apsis geschah. Stilistische Empfehlungen zielten auf modernere Architektur als Baukörper, funktionalistisch ohne „Fassade“ und Ornament (Paul Girkon, Neubauten evgl. Gemeinden und Verbände in Westdeutschland. Im Auftrag der Beratungsstelle für kirchliche Kunst beim ev. Pressedienst…..).
Hans Herkommer, Kirchliche Kunst der Gegenwart, Stuttgart 1930, propagierte, dass Geist und Wesen des Protestantismus eine schlichte, unrepräsentative, anspruchslose Formgebung in Bau und Ausstattung verlange. Nach Jahrzehnten der romantischen Wiederbelebung geschichtlicher Großstile sollten die auf das tatsächliche Bedürfnis beschränkten Bauten streng und unsymmetrisch gestaltet werden unter Verzicht auf äußere Aufmachung.
Datum der Fortschreibung 31. März 1999
Stadt Bochum, Der Oberbürgermeister, Im Auftrage, Dipl.-Ing. Göschel
In der Beschreibung der Bleiglasfenster hinter dem Altar auf der Bühne irrte Herr Göschel. Beim Motiv des rechten Fensters handelt es sich nicht um die Burg Blankenstein, sondern um die Wartburg in Thüringen, wo Luther an seiner Bibelübersetzung arbeitete. Im Jahre 1998 beschloss die Gemeinde nach langer, fast 70-jähriger Nutzung eine umfassende Renovierung des Kirchensaals. Diese wurde im Zeitraum Februar bis Mai 1999 durchgeführt. Altar- und Innenraum wurden neu gestaltet, die Deckenausmalung wurde nach einer Planung durch Dr. Christel Darmstadt so gestaltet, dass nun beide Ausrichtungen der Kirche – bei großen Gottesdiensten Ausrichtung auf den Hauptaltar, bei kleineren Ausrichtung auf die seitliche Apsis – gegeben sind. In beiden Richtungen sind die Deckenbemalungen und Lampen mittig angeordnet. Die Treppen zum Altar und das Podest der Apsis wurden erneuert. Ferner wurden die Kanzel, das Taufbecken, die Bestuhlung und der Altar in der Apsis erneuert. Die bleiverglasten Fenster wurden gegen doppelt verglaste ausgetauscht. Nur die Fenster im Altarraum und im Erker blieben erhalten.
An der Außenfront wurde der mittlere Seiteneingang mit einer Rampe versehen, um das Lutherhaus auch mit Rollstuhl erreichbar zu machen. Neben diesem Eingang fand ein von Bildhauermeister Peter Suerken aus Esslingen künstlerisch gestalteter Grabstein einen ansprechenden Platz. Der Grabstein wurde zum Gemeindejubiläum von der Familie Darmstadt geschenkt. Mit einem Festgottesdienst wurde das neugestaltete Lutherhaus am 9. Mai 1999 von der Gemeinde in Besitz genommen.
Im Jahre 2006 feierte die Gemeinde Stiepel-Haar das 75-jährige Jubiläum des Lutherhauses. Die funktionale Bauweise machte es möglich, dass sich im Lutherhaus die vielfältigsten Veranstaltungen etablierten. Neben Gottesdiensten, Taufen und Hochzeiten werden Saal und Bühne auch für die Zusammenkünfte und Darbietungen einiger Vereine genutzt. Als Beispiel sei der Stiepeler Verein für Heimatforschung genannt, der seinen plattdeutschen Gottesdienst seit Jahren dort abhält, oder der Theaterverein Preziosa, der seine Theaterstücke auch im Lutherhaus aufführte. Des Weiteren wird das Lutherhaus vom Posaunenchor Haar als Proberaum genutzt. Der Gospelchor „Children oft Light“ übt und gibt Konzerte im Lutherhaus, so auch der Musikverein „Gut Klang“, der sein Jahreskonzert dort gibt. Von Jugendgruppen bis zu den Senioren in verschiedensten Bastel-, Gesprächs- und Arbeitskreisen, alle finden hier Platz und Raum. Betrachtet man z. B. den Veranstaltungskalender im Gemeindebrief Nr.17, so findet fast jeden Tag ein Treffen statt. Eine solche Anzahl von Veranstaltungen lässt auf ein reges Gemeindeleben und erfolgreiche Jugendarbeit schließen.
Text: Gerhard Hagenkötter
Quellenverzeichnis:
Winfried Schonefeld, Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Stiepel 1983
Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Stiepel
Archiv Ev. Stiftung Diakoniewerk Ruhr-Witten
Privatsammlung Wilhelm Haarmann, Stiepel
Stadt Bochum, Stadtplanungs-und Bauordnungsamt
Manfred Bär, Bochumer Zechen Eine Datensammlung 1620-1974 2012
Privatsammlung Dr. Andreas Mannewitz
Interviews mit Anne Steven, Gerda Hoffstiepel, Christa Haard, Renate Reininghaus-Seifert, Elisabeth Loos, Siegfried Seifert, Dr. Christel Darmstadt, Paul Ose, Bernd Figgemeier, Werner Fernholz.
Bildnachweise:
Bild Nr. 1,13,16,20,22,23,Titelbild Gerhard Hagenkötter
Bild Nr. 2,4,6,9,11,12,17,18,19,21 Archiv evangelische Kirchengemeinde Stiepel
Bild Nr. 3,5,7,8,10 Stadtarchiv Hattingen: Hattinger Zeitung
Bild Nr. 14,15 Stadt Bochum, Presse- und Informationsamt
Stand 30.9.2017
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