Im Mai 1943 erlebten Stiepel und andere Stadtteile des Bochumer Südens den für sie schwersten Luftangriff des 2. Weltkriegs. Er war Teil der fünf Monate währenden britischen Luftoffensive, bei der praktisch sämtliche Großstädte an Rhein und Ruhr bombardiert wurden. Was für die Bochumer Innenstadt -gemessen an den Treffern und Zerstörungen- der 4. November 1944 darstellt, ist für Stiepel die Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1943.
Der Stiepeler Heimatverein hat versucht, die bei diesem Angriff komplett zerstörten Gebäude sowie die ums Leben gekommenen Personen zu ermitteln, um so eine Schneise mit den schwersten Schäden grafisch darzustellen (Stand: Mai 2018 zum 75. Jahrestag). Dazu sind im Stadtplan des Jahres 1939 die (komplett) zerstörten Gebäude mit einem roten Stern versehen. Diejenigen Häuser, in denen außerdem Tote zu beklagen waren, sind zusätzlich schwarz umkreist. Angemerkt sei, dass der Stiepeler Heimatverein neben seinen eigenen Kenntnissen auf Hinweise aus einem Leseraufruf des Stiepeler Boten angewiesen war. In Summe kann dabei durchaus ein zerstörtes Gebäude übersehen worden sein. Die Anzahl der bei diesem Angriff ums Leben gekommenen Personen wurde hingegen exakt ermittelt. Hierzu konnten im Bochumer Stadtarchiv Aufzeichnungen der damaligen Stadtverwaltung ausfindig gemacht werden.
Das Ergebnis der Forschungen lässt sich auf dem Stadtplan gut ablesen. Die Schneise der Zerstörung zog sich, beginnend an der Kemnader Straße (Ortsgrenze Weitmar) in Richtung Süden über den Henkenberg mit letzten Treffern an der Galgenfeldstraße und dem Wasserwerk an der Ruhr.
Als markantes Gebäude wurde die Stiepeler Ziegelei (Standort: heutiger Sportplatz) so schwer beschädigt, dass sie die Produktion auch nach dem Krieg nicht wieder aufnahm und 1952 abgerissen wurde. Der damalige Vikar der Katholischen Kirchengemeinde, Johannes Plitt, notierte in seiner Chronik: „ … die Mine, die hinter der Ziegelei heruntergekommen war, hatte … das Turmkreuz ganz verbogen …“. Auch die Stiepeler Dorfkirche büßte indirekt durch den Treffer einer Luftmine ihren Turm ein. Winfried Schonefeld beschreibt in seiner „Geschichte eines Kirchspiels“, dass die Holzkonstruktion des Turmhelms stark beschädigt wurde, die Herbststürme nicht überstand und einstürzte, wobei auch das Dach des Kirchenschiffs erheblich beschädigt wurde. Darüber hinaus wurde die Bochumer Wasserversorgung durch zwei Treffer in den Hauptleitungen des Stiepeler Wasserwerks für mindestens einen Tag deutlich erschwert.
In Stiepel gab es bei diesem Luftangriff genau 14 Tote in vier Häusern. In besonders dramatischer Weise war ein Haus an der Kemnader Straße, kurz vor der Einmündung der Sandfuhrstraße, betroffen. Darin starben 9 (!) Personen, größtenteils aus einer Familie. Genau in jenem Bereich der Kemnader Straße, rund um die Kreuzung mit der Krockhaus- und Sandfuhrstraße, gab es, so die Erkenntnisse aus den Forschungen, die mit Abstand schwersten Schäden. Die von Anwohnern zur Verfügung gestellten Fotos zeigen die Zerstörungen genau in diesem Abschnitt der Kemnader Straße. Die übrigen drei Häuser mit Todesopfern lagen an der Hülsberg-, Henkenberg- und Galgenfeldstraße.
Die in Stiepel-Dorf errichtete große Flak-Stellung, die auf einem Luftbild in den Feldern zwischen dem Dorf und der Gibraltarstraße gut zu erkennen ist (roter Kreis), konnte den Angriff nicht verhindern.
Bernd Piepiora says
Ein Stück Heimatgeschichte aus einer schlimmen Zeit für die Nachwelt erhalten. Mich würde interessieren welche Flak- Einheit ihre Stellung in Stiepel hatte, ist das bekannt?
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Piepiora
Mühlenkamp 15
45527 Hattingen
Erik Zimmermann says
Vielen Dank für den Bericht über den Luftangriff auf Stiepel im Mai 1943. Vor allem die historischen Bilder haben mich sehr berührt. Ich kann die Erzählung meiner Mutter nun besser einordnen. Meine Mutter war 1943 acht Jahre alt und wohnte mit ihren Eltern und ihrem einjährigen Bruder in der Kemnader Straße. Bei dem Luftangriff brannte das Haus völlig ab. Glücklicherweise konnte sich die Familie aus dem brennenden Haus retten, verlor aber alles. Meine Mutter berichtete, wie sie aus dem Haus flüchtete und durch die brennende Straße irrte. Offenbar waren auch Phosphorbrandbomben abgeworfen worden. Meine Mutter hat nur selten über dieses schlimme Kindheitserlebnis gesprochen. Die historischen Aufnahmen von den zerstörten Häusern in der Kemnader Straße haben mir dieses Erlebnis sehr nahegebracht.
Mein Vater wohnte 1943 mit seinen Eltern in der Varenholtstraße 70. Dort, so wurde mir als Kind erzählt, soll ebenfalls eine Bombe abgeworfen worden sein, die sich jedoch als Blindgänger erwies. So blieb das Elternhaus meines Vaters vor einer Katastrophe bewahrt.
Vielen Dank für diesen Beitrag und auch für die anderen Beiträge, die ich mit großem Interesse lese. Schön, dass es die Gelegenheit gibt, einen Kommentar zu schreiben.