Die als Haus Frische bekannte „Restauration zur schönen Aussicht“ (erster bekannter Wirt: Friedrich Frische) war ab 1857 ein über Stiepels Grenzen hinaus bekanntes Ausflugslokal. Außerdem war Haus Frische so etwas wie das soziale und gesellschaftliche Zentrum des gesamten Ortes. Neben der Postagentur war es Vereinslokal für etliche Vereine, zum Beispiel diente der Saal als Turnhalle für den Turnverein „Deutsche Eiche“. Da es bis 1919 keine Ärzte in Stiepel gab, hielten die aus den Nachbargemeinden angereisten Ärzte dort ihre Sprechstunden ab, sogar eine Zahnarztpraxis war eingerichtet. Bis ca. 1960 war im Saal das Kino „Alhambra“ beheimatet.
Im Jahr 1977 wurde das Gebäude abgerissen.
Der Name Frische hat sich im Sprachgebrauch der Stiepeler aber erhalten. Über den Bereich rund um die Haarholzer Straße wird auch heute noch mit den zwei Bezeichnungen “Auf dem Schrick” und “Frische” gesprochen. Dies zeigte sich auch in der Namensgebung der früheren Straßenbahnhaltestelle (Endstelle Linie 5) und jetzigen Bushaltestelle „Haarholzer Straße“. Diese hieß bis 1978 „Stiepel Frische“ und war Synonym für diesen Teil Stiepels.
Nachfolgend die ausführlichere Version eines Artikels aus den Ruhrnachrichten von Frank Dengler, erschienen am 26.März 2013. Er gehört zu der regelmäßig erschienenen Artikelreihe mit dem Titel ” Gruß aus Bochum”
„Zur Schönen Aussicht“ in Stiepel
Das Haus Frische war das älteste Ausflugslokal und existierte mehr als 100 Jahre
Wo die Kemnader Straße an ihrem höchsten Punkt eine scharfe Kurve beschreibt, bevor sie in das Ruhrtal hinabführt, befand sich früher ein beliebtes Ausflugslokal. Zwischen den Einmündungen der jetzigen Haarholzer und der Hevener Straße lag das weit über die Grenzen Stiepels bekannte „Haus Frische“.
Auch wenn sich die Gaststätte später als „ältestes Ausflugslokal in Stiepel“ (Anzeige 1933) bezeichnete, wurde sie nicht als solches gegründet. Als nämlich der Schlosser und „Winkelier“ Friedrich Frische im Jahr 1857 die erste „Schenkwirthschaft“ eröffnete, gab es noch keinen nennenswerten Ausflugsverkehr. So war das Haus Frische zunächst als Gastwirtschaft für die Einheimischen in Stiepel gedacht.
Als weitere Einnahmequellen dienten eine Postagentur im Gebäude (bis 1905) und Räumlichkeiten, in denen wechselnde Ärzte praktizieren konnten. (Erst im Jahr 1919 ließ sich der erste Arzt in Stiepel nieder.) Eine Zeit lang gab es dort sogar eine kleine Zahnarztpraxis. Darüber hinaus wurde Frische von vielen Stiepeler Vereinen als Vereinslokal genutzt. So entwickelte sich das Haus zu einem wichtigen gesellschaftlichen Treffpunkt.
Der Charakter als rein Stiepeler Institution änderte sich, als Frische in den 1860er Jahren begann, Konzerte und Festlichkeiten zu organisieren, die er auch in Bochumer Zeitungen annoncierte. Zugleich wuchs die städtische Bevölkerung, so dass nicht nur die zahlreicher werdende Industriearbeiterschaft in ihrer karg bemessenen Freizeit nach Ausgleich und Entspannung „im Grünen“ strebte.
Dadurch entwickelte sich Haus Frische zum Ausflugslokal. Bald wurde die Wirtschaft durch einen großen Saalbau für verschiedene Veranstaltungen und umzäunte Grünanlagen (Biergarten) ergänzt. Außerdem ließ der Inhaber 1885 einen Aussichtsturm errichten. Die Höhenlage des Lokals war so günstig, dass kein richtiger Turm nötig war, sondern ein Dachreiter mit Panoramaplattform auf dem Haupthaus ausreichte. Dieser Entwicklungsstand von Haus Frische, das inzwischen „Restauration zur schönen Aussicht“ hieß, lässt sich auf dem Ausschnitt einer Postkarte aus dem Jahr 1900 gut erkennen.
Auch auf anderen historischen Ansichtskarten und in Zeitungsanzeigen wurde die „Fernsicht 15 bis 20 Meilen in der Runde“ als „schönste Aussicht 5 Stunden im Umkreis“ gepriesen. Tatsächlich konnten die Gäste nicht nur über das Ruhrtal hinaus, sondern auch nach Norden Richtung Bochum schauen, wo bei klarem Wetter die Schlote des Bochumer Vereins zu erkennen waren.
Mehrere Generationen der Frisches bewirtschafteten das Lokal, welches durch Bau der Straßenbahnlinie 5 von Bochum (1927, bei Frische war die Endhaltestelle) leichter erreichbar wurde und einen entsprechenden Aufschwung erlebte. 1931 folgte der Anschluss einer Buslinie nach Blankenstein. Die Gebäude wurden weiter ausgebaut und modernisiert, so zeigt ein Zeitungsfoto von 1932, als das 75. Jubiläum gefeiert wurde, größere und zahlreichere Fenster am Hauptgebäude. Dennoch gab die Familie ihre Wirtschaft 1935 in andere Hände (Hedwig Niepmann), und schon 1938 kam es zum nächsten Besitzerwechsel (Walter Klein).
Ob dies bereits Anzeichen eines beginnenden Niedergangs waren, ist schwer zu sagen. Nachdem es zwischenzeitlich als Befehlsstelle der NSDAP-Gauleitung herhalten musste, existierte das Lokal jedenfalls nach dem Krieg weiter, scheint aber allmählich seine Anziehungskraft als Ausflugsziel verloren zu haben. Dieser Trend lässt sich auch bei anderen Gartenlokalen seit den 1950er Jahren verfolgen und hat wohl mit den im „Wirtschaftswunder“ gestiegenen Ansprüchen und der höheren Individual-Mobilität zu tun. Mit eigenem Auto oder Motorrad konnten weiter entfernte und attraktivere Ziele leicht erreicht werden. Darunter hatten die alten Ausflugslokale „um die Ecke“ zu leiden.
Wirte der Nachkriegszeit waren nach den Bochumer Adressbüchern Günther Büsch (1953) und Luise Hasenvclever (1956). Unter der wohl letzten Pächterin, Margret Krause, lautete der Name in den 1960er Jahren wieder „Haus Frische“. Im benachbarten Saalbau residierte bis ca. 1960 das „Alhambra“-Kino (1949-53 „Apollo“). Um 1970 wurde auch die Gaststätte endgültig geschlossen. Zuletzt als Wohnhaus genutzt, erfolgte 1976 der Abbruch des Gebäudes. Die Straßenbahn war bereits Ende 1963 durch eine Buslinie ersetzt worden, deren Haltestelle noch bis 1978 „Stiepel Frische“ hieß.
Es dauerte bis 1993/94, dass das ehemalige Frische-Gelände eine Neubebauung erfuhr. Nach einigen vorherigen Änderungen im Straßenverlauf (z.B. Haarholzer Straße) steht seitdem an der Kurve der Kemnader Straße ein Wohn- und Geschäftshaus (Architekt Karl Friedrich Gehse, Bochum / Witten). Dieses auffällige, postmodern anmutende Gebäude dürfte mit seinen turmartigen Eckbauten den Bewohnern auch heute noch eine „schöne Aussicht“ bescheren.
- Friedrich Frische, 1857 der Gründer der ersten Gastwirtschaft, war Schlosser und „Winkelier“ (auch: „Winkeliér“), ein heute ausgestorbener Begriff.
- Diese bis ins frühe 20. Jahrhundert gängige Berufsbezeichnung meint einen Kleinsthändler, der meist als Nebenerwerb im ländlichen Raum Lebensmittel und einfache Haushaltswaren, in Westfalen auch Holzschuhe, anbot.
- Im Niederländischen hat sich die ursprünglichen Bedeutung bis heute erhalten: „Winkel“ (kleiner Laden), „winkelen“ (Einkäufe machen).